Es brodelt, überall in den Straßen….Zwangsräumungen, Aufwertung, Kündigungen. Immer mehr Menschen werden aktiv, gegen steigende Mieten und Verdrängung aus ihren Vierteln- und ihrer eigenen Verdrängung.
Florian Friecke fährt durch Deutschland und schaut sich das Problem im Rahmen von Zündfunk an. Er inteviewt Menschen aus Berlin und München und unterhält sich mit Aktivisten aus verschiedensten Initiativen. Dieser Blogartikel ist nicht meine Meinung, diese kommt an Ende des Artikels , es ist eine Zusammenfassung des Beitrags aus dem Zündfunkbeitrag im BR.
Was genau ist das Problem?
Immobilien sind im Moment sehr beliebt, sie sind eine sehr gute Anlageform. Dies bedeutet aber auch, dass Hartz4Empfänger und Niedrigverdiener darunter leiden, dass die Aufwertungsspirale immens auf geht. Ihre Viertel werden ausverkauft, es ist nicht mehr nur noch das Problem der Mieter, sondern auch der Vermieter.
Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungshilfe gab es im Jahr 2012 bis zu 25.000 Zwangsräumungen in Deutschland, diese Zahl soll sich in diesem Jahr um 30% erhöhen. Können wir da noch weiter still bei zu schauen?
Das Problem der Gentrifizierung kommt in jeder Großstadt an, besonders die neuen Bundesländer (Westdeutschland in und um das Ruhrgebiet) drohen durch Abwanderung zu „verwahrlosen“, wohingegen Berlin, München, Hamburg aus allen Nähten platzen.
Was dadurch passiert ist, dass es kaum noch günstige Wohnungen gibt. Besonders benachteiligt sind, die Menschen die von Bezügen leben und auf Kostenübernahmen vom Jobcenter angewiesen sind. Sie müssen „umziehen“! Sind nicht mehr tragbar, denn viele neue Menschen mit „besser“ gefüllten Geldbeuteln kommen in die Großstädte, als Vermieter wird nun gehandelt und alles schick aufgewertet. Denn die „neuen“ wollen wundervolle Altbauwohnungen im Herzen jeder Großstadt, da will man keinen Niedrigverdiener mehr als Nachbarn.
Der Moderator der Sendung Fritz Fricke reist nach Berlin Neukölln und unterhält sich hier mit Martin. Dieser lebt seit Jahren in der Karl-Marx Straße , er ist schwul (wird natürlich mehrmals betont :( ) und wird zwangsgeräumt , da er mit einigen Zahlungen in Verzug geraten ist. Martin beschwert sich über die vielen nächtlichen Touristen, die seit kurzen in seiner Straße auftauchen und alles für den „urban lifestyle“ geben würden um in so einer tollen 100qm Wohnung wie Martin zu leben. Zur Zeit zahlt er pro quadratmeter 5 Euro brutto warm, sein Vermieter wird , nach dem er ausgezogen ist, daraus 10 Euro brutto warm machen.
Das Haus in dem Martin wohnt wird Stück für Stück „leergezogen“ , seiner Meinung nach wäre ihm das in Berlin Spandau nicht passiert, denn da bekommt man für 300 Euro noch eine schöne Hochhauswohnung- aber wer will schon noch Spandau und vor allem wer will schon in einer Hochhaussiedlung wohnen?! Jeder will nach Neukölln.
Nach Prenzlauer Berg, Kreuzberg und Friedrichshain, ist Neukölln das neue IN Viertel. Neukölln soll kein Billigbezirk mehr sein. Deswegen muss Martin gehen.
Sein Haus wurde verkauft, wieder ein neuer Vermieter . Ein Vermieter einer Eigentümergesellschaft , die nicht erreichbar ist, ohne Webadresse. Man kann nicht an ihn rantreten um ihn zu fragen warum Martin ausziehen muss. Der offizielle Grund warum er gehen soll, Martin hätte zuviele Ein und Auszüge in seiner Wohnung mit Untermietverträgen gehabt, dadurch kam ein Mietrückstand und eine hohe Nebenkostenabrechnung zusammen. Martin hat den Kopf in den Sand gesteckt, eine chronische Krankheit bekommen und Probleme beim Jobcenter, er vergaß die Kostenübernahme für Mietschulden beim Jobcenter einzureichen und obwohl er im Mietverein ist hat er auch die Briefe seiner zugeteilten Anwältin nicht mehr geöffnet. Diese legte ihr Mandat nieder und Martin bekam Post vom Amtsgericht mit einer Räumungsklage.
Franziska Darms wird befragt, sie ist die Anwältin von Martin, nach Ihrer Einschätzung reichen schon Mietrückstände von 1- 2 Monaten um eine Kündigung auszusprechen. Gerade in Berlin ist der Wohnungsmarkt sehr angespannt, die Mieter wollen ihre Wohnungen nicht verlassen, da sie Angst haben keine bezahlbare Wohnung zu finden, also bleiben sie. Das einzige was dem Vermieter dann noch bleibt ist die Zwangsräumung. Fricke erfragt wie lange so etwas dauern kann – laut Frau Darms werden Räumungsklagen bevorzugt behandelt und bearbeitet. Gerade bei Mietrückständen und Eigenbedarfsklagen. Diese Prüfung erfolgt bevorzugt um auch den Vermieter zu schützen und nicht in weitere Schwierigkeiten zu bringen (wie freundlich vom Amt!) . Die Räumung von Martin ist ein klassicher Fall, denn er hat die Fristen die angesetzt waren nicht eingehalten.
Weiter gehts nach München- dort treffen Wir Beatrice, sie wohnt in einem Hochhaus am Rande der Innenstadt und wird geräumt. Sie sucht sich Hilfe bei zwei Initiativen, dem Bündnis Zwangsräumung und dem Bündnis Bezahlbares Wohnen. Diese sollen ihr beratend zur Seite stehen. Beatrice hat sich gegen zwei Mieterhöhungen gewehrt nun ist Sie Opfer von Schikanen ihrer Nachbarin und des Hausmeisters der sie bedrängt. Von ihrem Vermieter bekommt sie Abmahnungen mit kruden Gründen, wie dass sie ihre Nachbarn ausspionieren würde oder ein Verhältnis mit dem Hausmeister hätte. Sie wehrt sich , sucht sich Hilfe beim Mieterverein und bekommt daraufhin eine außerordentliche Kündigung.
Es gibt in Deutschland zwei Hauptgründe für eine Räumungsklage, einmal die nicht bezahlte Miete (Mietrückstände) oder eine außerordentliche Kündigung aufgrund des Verhaltens als Mieter. In der Nähe von Beatrice´s Wohnung entsteht gerade ein neues Wohngebiet mit Neuvermietungen , diese bringen mehr Provit. Eine Toplage an der Innenstadt, da muss alles alte eben raus. Beatrice bekam zuerst eine Mieterhöhung, fand diese jedoch nicht gerechtfertigt und verweigerte sie zu zahlen, da seit 1969 außer einer neuen Keramikplatte für ihren Herd und ein neuer Wasserhahn nichts weiter in ihrer Wohnung erneuert wurde.
Maximillian Heisler , Anwalt vom Bündnis Bezahlbares Wohnen aus München sagt, dass es bald keinen Platz mehr gibt, im Grunde genommen ist die Stadt schon voll. Wie in einem Club es passen 300 Menschen rein und es sind schon 450 drin. Mieten werden immer teurer, die neuen Mieter haben mehr Budget zur Verfügung also muss der Bestandsmieter raus , damit in Ruhe und vor allem schnell aufgewertet werden kann, am besten in der Nähe der Innenstadt. München ist für Vermieter die teuerste Stadt Deutschlands , es stehen nur noch 0,6% der Wohnungen leer- Tendenz sinkend. Er versucht Beatrice zu helfen, befürchtet jedoch das sie durch das soziale Raster fällt und verlieren wird.
Weiter gehts mit Nora vom Bündnis Zwangsräumung aus Berlin, sie empfiehlt eine Kundgebung am besten vor dem Haus des Vermieters, denn man darf nicht still sein, sollte präsent sein und den Vermieter dazu zwingen sich rechtfertigen zu müssen. Bei privaten Vermietern ist dies bis jetzt eher selten gelungen, Wohnungsgesellschaften hingegen , scheren sich um ihren Ruf und versuchen öffentliches Aufsehen zu vermeiden. Das Bündnis Zwangsräumung steht für eine öffentliche Stimme und Unterstützung in der Gesellschaft.
Weiter mit der Familie P. aus Berlin Spandau. Sie leben in einer Westplatte und wird geräumt. Das Bündnis Zwangsräumung hatte eine Blockade geplant die dank 50 Polizisten nicht möglich ist. Der Familie P. wurde eine Kündigung ausgesprochen, da sie in einem gewaltsamen Kiez wohnen und ihr Sohn (der nicht mehr zu hause wohnt) , sich im Kiez geprügelt hat und angezeigt wurde. Die Wohnungsgesellschaft ist vor Gericht in die zweite Instanz gegangen und hat mit der Richterin Paschke im Landgericht gewonnen.
Frau Paschke hält am Wochenende gerne Seminare wie man Mieter vor allem Langzeitmieter aus ihren Wohnungen bekommt. Die Wohnungsgesellschaft wollte mit diesem Urteil ein Exempel statuieren , im Kiez sollen neue Wohnungen für Studenten entstehen. Nach mehreren Razzien werden nun die Straffälligen Mieter rausgeräumt. Familie P. hat Angst das sie nun keine Wohnung mehr finden, da jeder weiß das sie Zwangsgeräumt wurden, nun wollen sie das die Öffentlichkeit davon Wind bekommt. Sie fühlen sich ungerecht behandelt, seit 13 jahren haben sie in der Wohnung gelebt und in dieser Zeit schon fünf bis sechs Vermieterwechsel mitbekommen. Familie P. wird nun laut und spricht sich gegen diese Obdachlosenproduktion aus!
In München wird nun darüber gesprochen, dass hier Protest eher nicht berühmt ist. Es gibt in der Stadt nur 24 Initiativen die sich damit beschäftigen. Hier wird mehr von Einzelfällen gesprochen, keiner will an die Speerspitze und sich begutachten lassen. Die Guerillaband MutMama aus München wird mit ihrem Lied „Wir gehen hier nicht raus!“ vorgestellt.
Beim Prozess von Beatrice, die wegen einer außerordentlichen Kündigung die Wohnung in München verlassen muss, ist im Kampf um die Wohnung für sie Schluss. Sie bittet ihren Anwalt aufzugeben, sie kann nicht mehr. Das sie danach vorbestraft wäre , ein Vermögen für den Prozess bezahlt hätte und die seelische Belastung sind es für sie nicht wert. Vom Gericht bekommt sie 9 Monate um sich eine neue Bleibe zu suchen, doch gesundheitlich geht es ihr sehr schlecht. Sie hofft das die Übergriffe nun aufhören, denn mit der Drohkullisse in der Wohnung kommt sie nicht mehr klar. Für Beatrice ist es wichtig das man weiterkämpft und nicht aufgibt! Man sollte sich gütlich einigen können müssen, bei ihr war das leider nicht mehr möglich. Für sie wäre es nur noch selbstzerstörend weiter dagegen anzukämpfen.
Wieder zurück zu Martin aus Neukölln, er hat es geschafft rechtzeitig seine Habseligkeiten bei Freunden aufzuteilen. Er hat sich Hilfe beim Bezirksamt gesucht, denn mit den Schufaeinträgen konnte er keine Wohnung in der Innenstadt finden und hatte Vermittlungsschwierigkeiten. Den Vermietern ist es wichtig , dass die Mieter eine gute Bonität vorweisen können. Martin musste sich obdachlos melden. Gut geht es ihm damit nicht, für ihn ist es kein Problem Schulden zu haben, aber aus seiner Wohnung geschmissen werden, wird ihm noch lange nachhängen, er zweifelt an sich selbst. Martin war willens zu zahlen, er hat sich dagegen nicht gewehrt- er muss trotzdem gehen!
Ausgrenzung wohin man schaut, Berlin gehört uns allen. Wir brauchen keine weiteren Akteure des Provits, es darf nicht passieren das sich Kapital gegen den Menschen durchsetzt.
Wohnen darf kein Wohlstandskriterium sein, keine Ware mit der Provite gemacht werden. Wohnraum sollte pro Person vorhanden sein, niemand braucht drei bis vier Wohnungen. Natürlich gibt es auch nette Vermieter, Vermieter die sich um ihre Mieter kümmern, allgemeines Verteufeln ist auch nicht das was ich möchte. Man kann sagen, wir leben in einer freien Marktwirtschaft, doch es sollte sozialer zugehen, das heißt wiederum mehr Regulierungen zu finden. Nicht das warten darauf , dass alles langsam ausblutet. Ein gutes Ziel hierfür sind Genossenschaften.
Jeder sollte sich mal Fragen: Wann ist eine Stadt noch lebenswert?
Wer darf hier eigentlich noch wohnen?
Bin ich für Obdachlosenproduktion?
Danke für Eure Aufmerksamkeit!